Umgangsrecht
Umgang in Zeiten der Corona Pandemie
Im Umgangsrecht gilt folgender Grundsatz:
Kinder haben das Recht auf Umgang mit beiden Elternteilen, genauso wie die Eltern im Regelfall das Recht haben, ihre Kinder zu sehen.
Doch kann dieser Grundsatz auch in Zeiten von Corona Maßstab für die Anwendung bestehender oder zu findender Umgangsregelungen sein?
Mangels verbindlicher Rechtsprechung hierzu muss bei Fragen des Umgangsrechts derzeit auf die ganz allgemeinen Grundsätze nach Gesetz, Rechtsprechung und Lehre zurückgegriffen werden.
Dabei sind ALLE Beteiligte von Umgangsausübungen oder -verfahren, also Gerichte ebenso wie Anwälte, betroffene Eltern ebenso wie begleitende Jugendämter, Verfahrensbeistände und/oder Sachverständige usw. gehalten, gleichsam besonnen aber auch entschieden diese Grundsätze in Abwägung der Interessen aller Beteiligten in vernünftigen Umgangsregelungen umzusetzen.
Vor allem anderen ist dabei aber das Recht und der Schutz derer zu gewährleisten, die selber in der Regel noch gar nicht für sich sprechen können: die Kinder. Für sie und zu ihrem Schutz ist übergreifend auch der gesunde Menschenverstand einzusetzen, um geeignete und flexible Lösungen zu finden.
Wie kann das gelingen? Was ist zu beachten?
1. Bestehende gerichtlich getroffene Umgangsregelungen haben weiterhin Geltung
Besteht bereits eine gerichtliche Umgangsregelung gilt diese ganz grundsätzlich selbst in Fällen scheinbar offensichtlicher Gefährdung des Kindes erst einmal weiter.
Eltern können sich hierüber nur einvernehmlich „hinwegsetzen“. Aus Beweisgründen ist es zu empfehlen, dass selbst einvernehmliche Alternativen unter Eltern dabei stets schriftlich festgehalten werden.
Sind die Eltern vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen um COVID-19 über das weitere Vorgehen im Umgang uneinig, riskieren sie bei einseitigem willkürlichem Handeln zumindest erst einmal ein Verfahren über die Anordnung von Vollstreckungsmaßnahmen aus der bestehenden Umgangsregelung, also im Zweifel die Anordnung von Zwangsgeldern.
Der einzige Weg, dies sicher zu vermeiden, ist es dann, eine jede bestehende Regelung erst einmal einzuhalten, um sie dann mit einem Antrag auf Abänderung einer Überprüfung durch das Gericht zuzuführen.
2. Maßstäbe einer Neuregelung (außergerichtlich oder gerichtlich)
Aber auch in jedem Neu-Verfahren, wie auch bei einer außergerichtlichen Auseinandersetzung der Eltern muss dann wiederum ausgehend von dem eingangs genannten Grundsatz des Umgangsrechts der Eltern und des Kindes folgendes gelten:
Einschränkungen findet jedes Umgangsrecht und jede Umgangspflicht jedenfalls ganz grundsätzlich dort, wo das Wohl des Kindes gefährdet ist.
Hiervon ausgehend wird wohl unzweifelhaft zumindest dann das Umgangsrecht eines Elternteils vorübergehend beschränkt werden dürfen, wenn Elternteil oder Kind unter Quarantäne stehen. Ist der Vollzug der Quarantäne gem. § 28 ff. IfSG angeordnet, so ist ein fahrlässiger oder vorsätzlicher Verstoß sogar gem. § 75 IfSG strafbar. Es drohen Geldstrafen und Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren.
Auch ohne Quarantäneanordnung wird bei sehr konkretem Verdacht einer Infektion des umgangsberechtigten Elternteils oder auch des Kindes eine vorübergehende Aussetzung des Umgangs gerechtfertigt sein. Dies sollte bereits nach dem gesunden Menschenverstand einem jeden Elternteil auch einleuchten. Nur so kann es gelingen, Infektionsketten nicht unnötig fortzusetzen. Dies gilt umso mehr, gehören einzelne Familienmitglieder oder gar das Kind selber zu einer der Risikogruppen. Vorsorglich sollte aber bei Uneinigkeit der Eltern unverzüglich auch eine Bestätigung des eigenen Vorgehens durch das Gericht herbeigeführt werden.
Zwar nimmt eine zumindest ansatzweise vergleichbare Rechtsprechung des OLG zu Umgangsrechten eines HIV-Infizierten (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 08.03.1989 – 5 UF 41/89) selbst in Fällen eines Infektionsrisikos des Kindes durch ein solches infiziertes Elternteil zunächst an, dass selbst dann nichts gegen eine Umgangsausübung spreche. Es wird jedoch insoweit hier zuzugeben sein, dass selbst die Ansteckungsgefahr bei einem HIV-Infizierten Elternteil nach allem was wir bisher wissen, nicht so hoch sein dürfte, wie bei einer Erkrankung am Corona-Erreger. Es bleiben aber Fragen.
In allen anderen denkbaren Fällen ist eine pauschale Betrachtungsweise vorab kaum möglich, da immer mehrere Faktoren vor dem Hintergrund des Kindeswohls gegeneinander abzuwägen sein werden.
Dies gilt vor allen Dingen auch für den Fall begleiteter Umgangsregelungen, also solcher, wo der Umgang eines Elternteils bereits einschränkend nur unter Zuhilfenahme von dritten unabhängigen Betreuungspersonen angeordnet ist.
Ganz grundsätzlich muss hier nach vorläufiger Einschätzung gelten, dass auch in diesen Fällen und selbst in Zeiten von Corona zumindest alles erdenklich Mögliche unternommen werden muss, um Umgangskontakte aufrecht zu erhalten, ohne dritte Betreuungspersonen, Pflegefamilien u.a. unnötig einem weiteren Infektionsrisiko auszusetzen bzw. ohne gegen bestehende Anordnungen der Bundesregierung zu verstoßen.
Gerade hier wird es besondere Anstrengungen aller Beteiligten brauchen, um trotz aller Unsicherheiten und möglichen Risiken gleichwohl genau denen auch zu ihrem Recht zu verhelfen, die es sich nicht selber nehmen können: den Kindern.
Jedes Kind teilt letztlich auch immer in gewissem Maße das Schicksal der Eltern. Es ist nicht Aufgabe des Staates, jedes Kind infektionsfrei bis zur Volljährigkeit zu begleiten. Eine Ansteckungsgefahr ist im Übrigen auch selbst im Rahmen einer Fremdunterbringung, z.B. bei Pflegefamilien o.ä. leider hinzunehmen. Aus eben diesem Grund darf nach bisherigem Kenntnisstand in dieser ohnehin schon unsicheren Zeit auch für die Kinder aber nicht auch noch ein Schaden in ihrer Bindungssicherheit durch willkürliche Umgangsaussetzungen hingenommen werden.
Bestehen aber z.B. wegen Erkrankungen Engpässe bei den ausführenden Begleitpersonen, wird dies wohl leider auch zuweilen hingenommen werden müssen. In solchen Fällen sollte aber die Möglichkeit der schnellstmöglichen Nachholung diskutiert werden.
3. Schlussbetrachtung
Es wird schnell deutlich, dass hinsichtlich der Corona-Problematik auch in Situationen der Umgangsausübung bislang nicht klar abzuschätzen ist, welche Folgeentscheidungen im Einzelnen „richtig“ oder „falsch“ sein werden.
Wichtig bleibt also der einführende Ausgangsgedanke: mit Besonnenheit und Augenmaß sind und bleiben stets alle Interessen und auch Sorgen der Beteiligten auch in Zeiten von Corona gegeneinander abzuwägen – alles unter dem über allem stehenden Interesse und Schutzbedürfnis der betroffenen Kinder.
Kann hier kein übereinstimmender Wille der Eltern hergestellt werden, müssen die Gerichte für eine verbindliche Entscheidung bemüht werden.
Haben Sie einen konkreten Fall zu berichten? Wir stehen Ihnen auch weiterhin anwaltlich beratend zur Seite. Unser Sekretariat ist zu den üblichen Geschäftszeiten zur Verfügung. Zu Ihrem und zum Schutz unserer Mitarbeiter werden Erstgespräche derzeit jedoch so irgend möglich telefonisch abgewickelt. Rufen Sie an!
Sollte in Ihrem Fall sogar bereits eine gerichtliche Entscheidung vorliegen, informieren Sie uns gerne! Vielleicht hilft Ihre Erfahrung anderen betroffenen Eltern auch in ihrem Fall.